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Daniel Cohn Bendit,
Zum Attentat auf Rudi Dutschke

Am Abend des 10. April 1968 stieg der 23 Jahre alte Münchner Arbeiter Josef Erwin Bachmann um 21.52 Uhr in den Nachtexpreß nach Berlin. In seinem Gepäck hatte er einen alten Colt versteckt. Als er am nächsten Morgen aus dem Zug steigt, herrscht strahlender Sonnenschein. Es ist Gründonnerstag. In den Außenbezirken von Berlin ist nur wenig Verkehr. Rudi Dutschke, sogenannter SDS-Chefideologe,unterbricht die Arbeit am Manuskript über seine Prag-Reise in der vergangenen Woche...

Am vergangenen Donnerstag um 16.30 Uhr wurde Rudi Dutschke beim Verlassen des SDS-Zentrums auf dem Ku-Damm in Berlin
durch  drei  Pistolenschüsse  lebensgefährlich  verletzt.  Die Schüsse waren  in Brust,  Gehirn und  Gesicht eingedrungen.  Nach
mehrstündiger Operation  meinten die Ärzte,  es würde sich erst nach mehreren Tagen herausstellen,  welche Schäden der  Hirn-

steckschuß verursacht habe.  Der Täter  hatte sich nach kurzer Flucht in einem Keller versteckt und wurde nach einem einstündi-

gen Feuergefecht mit der Polizei verletzt. Über seine Person sind bisher Name und Alter bekannt: Josef Bachmann, 23.
Gleich nach Bekanntwerden des Attentats  fanden sich in Berlin, Frankfurt, Essen, Bonn,  München und Bochum die  Studenten zu spontanen Demonstrationen zusammen. Heute demonstrieren französische Studenten  vor der  deutschen Botschaft in Paris.
In Bochum hatten sich am Donnerstagabend um 23 Uhr rund 200 Demonstranten vor dem Bahnhofsgebäude versammelt. In Berlin zogen etwa 3000 Menschen nach einer Versammlung in der Technischen Universität zum  Springer-Hochhaus. Sie drückten im Erdgeschoß  Fensterscheiben ein und drangen ins Foyer des  Springer-Hauses vor. Eine Garage wurde in Brand gesetzt. Die Polizei vertrieb die Demonstranten mit Wasserwerfern und Gummiknüppeln.  Zwei Studenten wurden krankenhausreif gefahren, als ein BILD-LKW in die Demonstranten fuhr.

Unterdessen vollzog sich ein makabres politisches Schauspiel: Kiesinger sandte ein Telegramm an Dutschkes Frau und Bürgermeister Neubauer, Urlaubsvertreter von Klaus Schütz, eilte ins Kankenhaus, um sich nach dem Befinden  des schwer verletzten Dutschke zu erkundigen. Hatten die Schuldigen ein schlechtes Gewissen, daß sie so schnell reagierten? Diejenigen, die seit Monaten eine systematische Hetze gegen politische Minderheften betreiben, sind  heute erschrocken, weil alle Welt weiß, daß ihnen die Pogromstimmung in Berlin zu verdanken ist. Nach einer friedlichen Vietnam-Demonstration, an der etwa 14000 Menschen teilgenommen hatten, zettelte der Berliner Senat  eine Gegendemonstration an. In dieser vom Senat bestellten Kundgebung kam die ganze Hysterie der Berliner Politik zum Ausbruch. Der Regierende Bürgermeister hetzte in seiner Rede auf dem Kennedyplatz die Massen gegen die Studenten auf:

Anschließend kam es zu Ausschreitungen.
Völlig Unbeteiligte wurden verprügelt, wenn sie nur wie Studenten aussahen. Die Polizei stand tatenlos daneben.  Der Verwaltungsangestellte Lutz-Dieter Monde (25) berichtete nachher: „Ich hatte fürchterliche Angst. Sie schrien: Schlagt ihn tot, hängt ihn auf.  Sie meinten mich. Ich geriet  in das  brüllende Menschenknäuel und wurde zum  zweitenmal niedergeschlagen.“
Der ärztliche Befund: Eine Schädelprellung, eine Rißwunde  an der linken Augenbraue, Prellungen am ganzen Körper, eine Verstauchung des linken Fußgelenkes. Der Angestellte  war nur deshalb geschlagen worden, weil er von der aufgehetzten Masse für den verhaßten Rudi  Dutschke selbst  gehalten wurde.
Der gleiche Berliner Senat, der die schweren Polizeiausschreitungen Im Juni des vergangenen Jahres auf dem Konto hat, der den Tod des Studenten Benno Ohnesorg ver-
schuldete, nimmt sich heute die Frechheit heraus zu behaupten, er habe diese Form des politischen Kampfes nicht gewollt. Wie viele Studenten müssen noch sterben, ehe die ÖffentIichkeIt einsieht, daß die ,,Demokraten“ in unserem Land mit faschistischen Methoden jede Demokratie zerstören?
  Es hat einen Grund, daß die Studenten in den beiden vergangenen Nächten vor die Springer- Häuser gezogen sind. Springer publiziert heute: 32% aller Tageszeitungen, 90% aller Sonntagszeitungen, 16 % aller Publikumszeitschriften (Illustrierten) und 88 % aller Jugendzeitschriften. Springer ist so mächtig, daß er Meinungen manipulieren und abweichende Meinungen unterdrücken kann. In Berlin besitzt er praktisch das Presse-Monopol. Die Verdummungsmaschinerie des Springer Konzerns wird eingesetzt, um das  herrschende politische

 

System zu stützen und Demokratisierung zu verhindern.
Am Donnerstag trugen Demonstranten in Berlin Transparente mit der Aufschrift: BILD hat mitgeschossen!
Der Tod von Benno Ohnesorg, das wissen wir jetzt, war kein Einzelfall. Auch die Falschmeldungen und Lügentiraden der Springer-Blätter sind nicht zufällig. Sie sind konsequenter Ausdruck einer Politik, die Prügelknaben braucht (Juden, Neger oder Studenten), um ihre eigenen Machenschaften zu verdecken.
In den USA ist der Mord an dem Führer einer  politischen Minderheit (Bürgerrechtsbewegung) gelungen. Mit politischen Morden hat sich auch in der Weimarer Republik der Faschismus angekündigt.
Die Schuld liegt nicht bei den 
Attentätern, wer diese auch 
immer sind.
Sie liegt bei denen, die sie 
verführt haben.
Mitbürger von Bochum!
Heute, 12 Uhr, auf dem Husemannplatz
Kundgebung
zum Mordanschlag auf Rudi Dutschke

Es sprechen u.a.:
OB Heinemann, Rektor Prof Dr. Biedenkopf,
SPD MdB Liedtke, Prof. Dr. Jaeggi
Prof. Dr. Bahr, von Berg (DGB)
Zimmermann (AStA)


 
 

,,Daß die drei zu den Schüssen auf Rudi Dutschke
Stellung nehmen wollen, ist klar - aber frag mal
die Regie, wo wir hinterher das schmutzige Was-
ser hintun sollen."

Die drei Herren sind (v.l.): Klaus Schütz, damals Regierender Bürgermeister; Axel Caesar Springer, Verleger, Herausgeber von BILD und BZ; Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger
 
 

Zeichnung: Arno Ploog in: pardon nr. 5* mai 1968 * s. 9


Drei Kugeln auf Rudi Dutschke, 
ein blutiges Attentat
Wir haben genau gesehen, 
wer da geschossen hat
Ach Deutschland, deine Mörder! 
Es ist das alte Lied
Schon wieder Blut und Tränen
Was gehst Du denn mit denen
Du weißt doch was Dir blüht!

Die Kugel Nummer Eins kam 
aus Springers Zeitungswald
Ihr habt dem Mann die Groschen 
auch noch dafür bezahlt
Ach Deutschland, deine Mörder!...

Des zweiten Schusses Schütze
im Schöneberger Haus
Sein Mund war ja die Mündung,
da kam die Kugel raus.
Ach Deutschland, deine Mörder!...

Der Edel-Nazi-Kanzler 
schoß Kugel Nummer Drei
Er legte gleich der Witwe 
den Beileidsbrief mit bei
Ach Deutschland, Deine Mörder!

Drei Kugeln auf Rudi Dutschke, 
ihm galten sie nicht allein
Wenn wir uns jetzt nicht wehren, 
wirst du der Nächste sein.
Ach Deutschland, deine Mörder!

Es haben die paar Herren
so viel schon umgebracht!
Statt daß sie Euch zerbrechen,
Zerbrecht jetzt ihre Macht
Ach Deutschland, deine Mörder!
Es ist das alte Lied
Schon wieder Blut und Tränen
Was gehst Du denn mit denen
Du weißt doch was Dir blüht!


 
Einige  Internet-Seiten zu Rudi Dutschke