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Fallschirmjäger über Dien Bien Phu

An einem Tag früh im Januar 1954 küsste Chien Si, Oberstleutnant der vietnamesischen Armee, vor seinem Aufbruch aus dem Luftschutzbunker seine jüngste Tochter noch einmal besonders innig. Diesmal habe er Angst, nicht zurückzukommen, gestand er seiner Frau. Die Kleine solle deshalb von nun an einen Namen tragen, der sie immer an ihn, ihren Vater, erinnern möge: Viet-Duc, also: Deutschland-Vietnam. Denn Chien Si hieß eigentlich Erwin Borchers und war 1906 im damals deutschen Straßburg als Sohn eines preußischen Offiziers und einer elsässischen Weingutstochter geboren worden. Den Namen Chien Si – der Kämpfer – hatte ihm Ho Chi Minh verliehen, zusammen mit einem Orden, als Anerkennung für seine Dienste beim Viet Minh, der vietnamesischen Befreiungsbewegung.

Borchers hatte seine vietnamesische Frau und seine drei Kinder schon oft in Viet Bac, dem nördlichen Rückzugsgebiet des Viet Minh, zurückgelassen, aber diesmal war es etwas anderes – diesmal stand eine große Schlacht bevor, die entscheidende.

Wie Erwin Borchers verließen in diesem Winter Tausende Viet-Minh-Soldaten ihre Erdbunker, Felshöhlen und andere Verstecke und machten sich auf in den äußersten Nordwesten des Landes. Ihr Ziel war das Tal von Dien Bien Phu, einer bis dahin bedeutungslosen Durchgangsstation zwischen den nordvietnamesischen Bergen und dem laotischen Tiefland.

Dien Bien Phu heißt übersetzt »Große Kreisstadt an der Landesgrenze«, war aber weniger eine Stadt als vielmehr eine Ansammlung kleiner Siedlungen in einem geräumigen Tal, an drei Seiten von schroffen, mit Gras und Bambus bewachsenen Bergen umschlossen und nur in Richtung Laos geöffnet. Diesen verlassenen Flecken hatten die französischen Militärs im Sommer 1953 ausgewählt, um dem Krieg gegen den Viet Minh die Wende zu geben.

Seit fast acht Jahren schleppte sich dieser Krieg (die Franzosen sprachen nur von groß angelegten »Polizeioperationen«) schon hin, und es sah nicht gut aus für die Kolonialherren. Mit 70.000 Mann war das französische Expeditionskorps 1945 gelandet, nachdem Ho Chi Minh im September desselben Jahres – die japanische Besatzungsmacht war abgezogen – die unabhängige Republik Vietnam ausgerufen hatte. Vor den Japanern hatte, seit 1862, Frankreich in Indochina geherrscht, und General Charles de Gaulle wollte die koloniale gloire mit Klauen und Zähnen verteidigen, nicht zuletzt, um der Nation nach der militärischen Niederlage gegen Nazideutschland wieder neues Selbstbewusstsein einzuflößen. Jetzt, acht Jahre später, drohte ein Debakel.

Während der Süden, das spätere Süd-Vietnam, noch zu weiten Teilen unter der Kontrolle der Franzosen stand, herrschten über die meisten Gebiete des bergigen Nordens und des zentralen Hochlandes bereits Ho Chi Minhs Truppen. Nur die Städte Hanoi und Haiphong wurden von den Franzosen gehalten, waren aber fast täglich Angriffen der Guerilla ausgesetzt. Es gab keine einheitliche Frontlinie, an der die Kolonialtruppen ihre technische Überlegenheit hätten ausspielen können, stattdessen war jedes Gebüsch, jede Straße, jede Hotelterrasse Front. Nun drohte noch das gesamte nördliche Laos an den Viet Minh und die mit ihm verbündeten laotischen Kommunisten zu fallen.

Über 45.000 Franzosen und Fremdenlegionäre waren bereits tot, und täglich verschlang der Krieg ungeheure Summen. Nur durch massive Hilfe der USA konnte Paris den Kampf weiterführen, mittlerweile deckten die Amerikaner zwei Drittel der Kosten. Gleichzeitig demonstrierten in Frankreich Zigtausende gegen den Krieg; beinahe wöchentlich kam es zu Streiks.

General Giap soll gelächelt haben, als die Franzosen in die Falle gingen

General Henri Navarre, ehemaliger Geheimdienstler und neu eingesetzter Oberbefehlshaber der französischen Truppen Indochinas, stand im Ruf, ein nüchterner, scharf berechnender Stratege zu sein, kein Mann für Abenteuer. Er wusste, dass der zermürbende Partisanenkrieg nicht mehr zu gewinnen war. Er suchte, wie er später schrieb, nach einem »ehrenvollen Weg aus dem Schlamassel«. Dafür brauchte Navarre einen militärischen Erfolg. Der musste so durchschlagend sein, dass Ho Chi Minh gezwungen war, die Bedingungen aus Paris für einen Waffenstillstand anzunehmen: die feste Bindung Vietnams an Frankreich durch eine Mitgliedschaft in der französischen Union. Zu diesem Zweck wollte Navarre den Viet Minh endlich in eine offene Feldschlacht zwingen, und Dien Bien Phu schien dazu geeignet.

Wer das Tal beherrschte, kontrollierte den Weg nach Laos und schnitt Ho Chi Minhs Kämpfern eine wichtige Rückzugsmög- lichkeit ab. Gleichzeitig war das Tal weitläufig genug, um eine mächtige Flugbasis zu errichten, von der aus Offensiven in die Region unternommen werden konnten, zum Beispiel an die chinesische Grenze. Seit der Machtübernahme von Mao Tse-tung 1949 hatte der Viet Minh im Nachbarland mächtige Freunde und somit reichlich Nachschubmöglichkeiten.

Am Morgen des 20. November 1953 begann die größte Luftlandeaktion des Indochinakriegs. Innerhalb von zwei Tagen setzten 163 Flugzeuge mehr als 4.000 Fallschirmspringer ab. Der Widerstand des Viet Minh war gering, die Verluste der Franzosen auch, am Abend des 22. November meldete man ins Hauptquartier die Einnahme von Dien Bien Phu. Aus Saigon kam die Anweisung, sofort mit den Arbeiten an der Landebahn zu beginnen. Dien Bien Phu sei zu einer Festung auszubauen und »um jeden Preis zu halten«.

Als der Oberkommandierende der Viet-Minh-Streitkräfte General Vo Nguyen Giap von der Landung der Franzosen hörte, soll er gelächelt haben. Sogleich habe er, der engste Vertraute Ho Chi Minhs, die strategischen Möglichkeiten erkannt, die sich aus dieser Aktion ergaben. Seit der ehemalige Geschichtslehrer Anfang der vierziger Jahre mit 30 Anhängern – die Vogelflinte auf dem Rücken – zum Guerillakampf gegen die Japaner angetreten war, hatte er sein taktisches Geschick häufig unter Beweis gestellt. Unerbittlich nahm er dabei allerdings hohe Verluste in den eigenen Reihen in Kauf.

Auch diesmal schonte der General seine Männer nicht. Mehr als 50.000 Soldaten setzte er sofort Richtung Dien Bien Phu in Marsch, darunter auch die einzige »schwere Division« der vietnamesischen Armee. Die mehr als 200 Granatwerfer und Artilleriegeschütze dieser Division stammten fast alle aus amerikanischer Produktion – ein Geschenk Mao Tse-tungs an seine vietnamesischen Genossen; die Rotchinesen hatten die Waffen den fliehenden Truppen Chiang Kai-sheks abgenommen. Giaps Soldaten beförderten die Geschütze nun, meist in Hunderte Einzelteile zerlegt, auf umgebauten Fahrrädern oder auf dem Rücken durch den Gebirgsdschungel. Die Franzosen hatten keine Ahnung, dass diese Waffen existierten. Noch weniger wussten sie, wie beweglich die Vietnamesen sie einsetzen konnten. Sie würden es bald erfahren.

Auch Erwin Borchers zog mit den Viet-Minh-Streitkräften nach Nordwesten. Die ersten Kilometer legte er noch bequem im Lkw zurück, bis das vorausfahrende Fahrzeug auf eine Mine fuhr und völlig ausbrannte. Selten war er dem Tod so nahe gewesen. Er wurde zwar Chien Si – der Kämpfer – genannt, seine Waffen waren aber eher die Schreibmaschine und die Druckerpresse. Klein, auf den ersten Blick etwas grobschlächtig, besaß er einen scharfen Verstand und ein geradezu enzyklopädisches Wissen. Ein Intellektueller, gläubiger Protestant und überzeugter Sozialist, der in Deutschland und Frankreich Germanistik und Romanistik studiert hatte. Beim Viet Minh war er Chef der politischen Propaganda und sollte sich insbesondere um die richtige Gesinnung der Kriegsgefangenen und der deutschen Überläufer kümmern.

10.000 deutsche Fremdenlegionäre unterstützen die Kolonialtruppe

Von diesen Deserteuren gab es 1954 eine ganze Menge. Frankreich ließ den unpopulären Krieg verstärkt von Frem- denlegionären führen, fast 20.000 kämpften mittlerweile in Indochina, und jeder Zweite war Deutscher. Junge ehema- lige Wehrmachtsoldaten zumeist, die um die 20 gewesen waren, als das »Dritte Reich« in Trümmer gefallen war, und die im Chaos der Nachkriegsjahre keinen Halt mehr gefunden hatten. Ohne Arbeit, ohne Ausbildung – sie hatten oft nichts anderes gelernt als Kämpfen und Töten –, sahen sie in der Fremdenlegion einen Ausweg aus der blanken Trostlosigkeit.

Indochina jedoch bot wieder nur Tod und Entbehrung – und einen unerbittlichen Gegner, der wusste wofür er kämpfte. »Was mich fasziniert hat, war die Tatsache, dass diese jungen Soldaten, keine 22 Jahre alt, lachend für Ho Chi Minh starben. Sie kannten keine Angst vor dem Tod. Du hast sie gehasst, weil sie etwas besaßen, das du nicht verstanden und erst recht nicht begriffen hast«, erinnerte sich später ein deutscher Legionär. Der Blutzoll war hoch, bis 1953 waren schon 5.000 seiner Landsleute gefallen.

Mehrere hundert der jungen Deutschen wechselten auf die andere Seite, manche freiwillig, manche, weil sie dem harten Los der Kriegsgefangenschaft entkommen wollten. Beim Viet Minh erhofften sie sich, auch verführt durch die Propaganda von Erwin Borchers, besseres Essen, weniger Drill. Die wenigsten liefen aus Überzeugung über. Dementsprechend schwierig war es, die Deserteure bei Laune zu halten, als sie erkannten, dass Verpflegung und Unterkunft auf der anderen Seite noch dürftiger waren. Viele wollten wieder zurück, einige versuchten zu fliehen, manche wurden standrechtlich erschossen.

Erwin Borchers hatte mit seinen »Schülern« wenig gemein und für sie oft nur Verachtung übrig. Mittlerweile fast 50, gehörte er einer anderen Generation von Überläufern an, die schon Jahre zuvor zum Viet Minh gestoßen waren. Sie zählten nur eine Hand voll: Intellektuelle, Linke, Antifaschisten, von den Zeitläuften um den halben Erdball gespült.

Immer schon »vom Politischen besessen«, war der Elsässer Student und Sozialdemokrat Borchers nach Hitlers Macht- ergreifung in Frankfurt am Main zu einer Widerstandsgruppe gestoßen, für die er Flugblätter gedruckt und verteilt hatte. Nur knapp entkam er den Nazihäschern und floh nach Frankreich. Dort wollte er in die Armee, um gegen Hitler zu kämpfen, wurde aber abgelehnt, weil seine Mutter »Frankreich verraten« habe, als sie einen Deutschen heiratete. Stattdessen steckte man ihn, wie die anderen Deutschen und Österreicher auch, bei Beginn des Krieges (der Frankreich ja zunächst noch verschonte) in ein Internierungslager. Man betrachtete ihn als potenziellen Spion. Ihm und den anderen Insassen machten die Franzosen klar, dass der Beitritt zur Fremdenlegion der einzige Ausweg sei, um nicht bis Kriegsende hinter Stacheldraht zu sitzen.

Am 16. September 1939 wurde Erwin Borchers Legionär, so wie viele andere Flüchtlinge aus Deutschland auch, die in Frank- reich gestrandet waren, wie etwa der junge Rudolf Schröder. Der Kölner Soziologiestudent war 1933 nach Frankreich geflohen, weil er seinem jüdischen Professor nach dessen Absetzung durch die Nazis demonstrativ einen Blumenstrauß überreicht hatte und dann im Stürmer denunziert worden war. Hoch begabt, arbeitete er in Paris zeitweise im Auftrag des exilierten Frankfurter Instituts für Sozialforschung als Assistent, verdiente sich sein Geld aber auch als Teppichhändler und Maschinennäher. Er schloss sich der Legion an, nicht zuletzt, weil er hoffte, so gegen Nazideutschland kämpfen zu können.

Die antifaschistische Aura der Legion verflog schnell. Schon von seiner ersten Station in Algerien aus, wo er auch Erwin Borchers begegnete, schrieb er in einem Brief von der »völligen Nutzlosigkeit, Dummheit und Brutalität des Lebens des Legionärs Schröder«. Ein Jahr später waren Borchers und er auf dem Weg nach Indochina. In Vietri, 80 Kilometer nordwestlich von Hanoi, freundeten sie sich mit dem Wiener Juden und Kommunisten Ernst Frey an, der ebenfalls vor den Nazis nach Frankreich geflohen war. Die drei Freunde waren entsetzt über den Rassismus vieler ihrer Offiziere und vom politisch-militärischen Stil der Legion insgesamt. Sie gründeten eine kommunistische Zelle und nahmen heimlich Kontakt zum Viet Minh auf. Als ihnen klar wurde, dass Frankreich die Rekolonisierung Vietnams plante, entschlossen sie sich, auf die andere Seite zu wechseln.

Eines Morgens, 1945, schickte der Viet Minh eine amerikanische Limousine zur französischen Zitadelle in Hanoi und brachte die Überläufer direkt zum Hauptquartier des vietnamesischen Widerstandes. Dort warteten bereits die drei wichtigsten Helfer Ho Chi Minhs: der spätere General Giap, Pham Van Dong, der 1976 der erste Premierminister des wiedervereinigten Vietnams werden sollte, und Truong Chinh, Generalsekretär der kommunistischen Partei.

Die Überläufer kamen wie gerufen. Die Führer des neuen Vietnam waren meist junge Intellektuelle und Berufsrevolutionäre und hatten wenig Ahnung von Militärstrategie oder Verwaltungsorganisation. Ernst Frey, bei der Fremdenlegion umfassend in Kriegstaktik ausgebildet, brachte es bis zum Oberstleutnant und einem der engsten Berater von General Giap. Mehrere Jahre lang hatte er als Einziger immer Zugang zum »Gottoberst«. Die beiden Intellektuellen Borchers und Schröder erhielten führende Aufgaben bei der Propaganda, so brachten sie die erste Zeitung des Viet Minh in französischer Sprache heraus.

Der Einfluss der »neuen Vietnamesen«, wie man die Überläufer nannte, nahm allerdings schlagartig ab, als die Chinesen ins Land kamen. Mao Tse-tung schickte nicht nur massive materielle Hilfe, sondern auch Tausende Militärberater und Parteikader über die Grenze. »Der Viet Minh war vorher eine eher patriotisch-nationale Bewegung, wenngleich immer in der Hand der kommunistischen Partei, die allen Klassen offen stand«, schreibt der heute in Paris lebende Historiker Heinz Schütte, der die Geschichte der deutschen Überläufer erforscht und darüber kürzlich auf einer Tagung des Goethe-Instituts in Hanoi berichtet hat. Erst mit der Ankunft der Chinesen wandelte sie sich zu einer straff organisierten maoistischen Partei. Es kam zu Terror und Säuberungen und zu immer mehr Spannungen zwischen Überläufern und Viet-Minh-Oberen. Frey und Schröder verließen schließlich entmutigt das Land in Richtung Europa.

Erwin Borchers blieb, mittlerweile verheiratet und Vater von drei Kindern (vier weitere sollten folgen). So war er aktiv dabei, als der Viet Minh sich von einer kleinen Guerillatruppe zu einer schlagkräftigen Armee entwickelte und die Franzosen nach und nach aus ihren letzten Stellungen im Norden Vietnams vertrieb. Im Tal von Dien Bien Phu traf er Ende Februar 1954 ein. Dort herrschte noch Ruhe, die Stille vor dem großen Sturm.

16.000 Soldaten der Kolonialarmee, darunter Tausende deutsche Fremdenlegionäre, hatten sich tief in einem unendlichen Labyrinth aus Stacheldraht, Minenfeldern und Geschützstellungen eingegraben und warteten gelassen auf den Angriff des Viet Minh. Eine Woche zuvor hatte noch der französische Verteidigungsminister die Stellungen besichtigt und sie als »uneinnehmbar« bezeichnet. Was er nicht wusste: Inzwischen waren die besagten 200 schweren Artilleriegeschütze auf die umgebenden Berghänge geschafft worden, in metertiefen Stollen vor den feindlichen Flugaufklärern versteckt. Kein französischer Militär hatte das auch nur für möglich gehalten.

57 Tage dauert der mörderische Kampf, dann geben die Franzosen auf

Als General Giap am 13. März den Befehl zum Angriff gab, trommelten gleich in der ersten Nacht über 9.000 Geschosse und Granaten auf die völlig überraschten französischen Stellungen. Die ersten Außenposten fielen sofort. Die Bergfestung war zur tödlichen Falle geworden. Der Befehlshaber der französischen Artillerie schoss sich eine Kugel in den Kopf, als er begriff, dass er den Gegner dramatisch unterschätzt hatte. Unter dem Schutz des eigenen Geschützfeuers trieben die Kämpfer des Viet Minh eine Unzahl von Gräben in die feindlichen Linien, von denen aus sie die Stellungen der Franzosen überrannten. Am Ende erstreckten sich diese Stollen über 400 Kilometer. Menschenwelle um Menschenwelle schickte Giap gegen die feindlichen Stellungen – die Verluste des Viet Minh waren fast viermal so hoch wie die des Gegners. Ein Bunker nach dem anderen fiel. Verzweifelt flogen die französischen Militärs Verstärkung und Nachschub in den Kessel, doch die Schlinge zog sich immer enger.

Auch Borchers und seine Propagandatruppe kamen jetzt zum Einsatz. Zwischen zwei Granatangriffen riefen sie über Laut- sprecher die Fremdenlegionäre und nordafrikanischen Hilfstruppen auf, die Waffen niederzulegen. Allerdings ohne großen Erfolg. Der Journalist Peter Scholl-Latour lässt später einen Augenzeugen berichten, dass »am Ende nur die Fremden- legionäre, zu 80 Prozent Deutsche, und die Fallschirmjäger bis zum letzten Erdloch und bis aufs Messer gekämpft« hätten. Die Legionäre seien angetreten, »wie in einer mythischen Gotenschlacht«.

Am 7. Mai 1954, 57 Tage nachdem die erste Granate eingeschlagen war, ergab sich der letzte Kommandoposten der Franzosen. Die Schlacht war zu Ende. Der Viet Minh hatte mehr als 20.000 Mann verloren, auf französischer Seite waren über 6.000 Soldaten gefallen, darunter Hunderte von Deutschen.

Noch einmal so viele sollten in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft an Hunger und Erschöpfung sterben. Es war der letzte französische Blutzoll in diesem Krieg. Einen Tag nach der Niederlage bei Dien Bien Phu begannen in Genf die Verhandlungen über einen Waffenstillstand, die am 20. Juli ihren Abschluss fanden. Das französische Kolonialreich in Indochina hatte aufgehört zu existieren.

Für Erwin Borchers war die Begleitung der über 10.000 Gefangenen in die Lager des Viet Minh die letzte militärische Aufgabe. Er bekam einen Posten im Propagandaministerium, später schrieb er für die DDR-Nachrichtenagentur ADN in Hanoi. 1965 zog er mit seiner Familie nach Ost-Berlin. Hier arbeitete er als Rundfunkjournalist, bis er sich 1968 zu offen für den Prager Frühling begeisterte und Schwierigkeiten mit der Obrigkeit bekam. Schließlich floh Erwin Borchers nach West-Berlin, wo er 1984 starb. Zu gerne wäre er nach Straßburg, in die Vaterstadt, heimgekehrt. Doch das ging nicht; denn dort hätte man ihn verhaftet und abgeurteilt – als Deserteur und Verräter.

Der Autor ist Journalist und lebt in Hanoi