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Ich über mich | Olympia 1972 |
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Wenn man mit den Befürwortern oder auch nur gedankenlosen Nachplapperern der Anglifizierung (das klingt wie „infizieren“, und so soll es auch klingen…) diskutiert, wird irgendwann unweigerlich das Totschlag-Argument kommen: ‚Ich muss solche Begriffe doch gebrauchen – es gibt keine anderen dafür…’ Ja sind wir denn blöder, unflexibler, ideenloser, träger als die Sprecher der anderen europäischen Sprachen? Oder sind wir einfach nur peinlicher? In
Windows XP gibt es ein kleines Programm, das die
jeweilige alte Landeswährung der Länder der Eurozone
automatisch
in Euro umwandelt. Zur Erläuterung des Programms dient eine kleine
Textdatei in unterschiedlichen europäischen Sprachen. Titel dieser
Datei:
Und wo bleibt die deutsche Fassung? Die zahlenmäßig weitaus bedeutendste Sprechergruppe in Euroland fehlt? Nein – nicht ganz – die „deutsche“ Fassung findet sich selbstverständlich (?) unter dem schönen deutschen Titel „readme-de.txt“. Bemerkenswert ist vor allem dieses angehängte –de – es macht deutlich, dass es zwei englische Versionen gibt: eine für Anglophone und eine für – ja, wie soll man die Deutschen nun linguistisch bezeichnen? Jedenfalls:
Glückwunsch, Deutschland! (Oder
besser: Cheers, Germany!) – alle anderen Euroländer sind
voll
von vor sich hin dümpelnden Provinzidioten – da wagen es
tatsächlich
die paar Niederländer und die paar Finnen, diese PISA-Streber,
sich
ihrer eigenen Sprache zu bedienen! Finnisch!! Wie peinlich! Das
versteht
doch kein Mensch! Wir dagegen dürfen den Erfindern des
Euro-Umwandlungsprogramms
sehr, sehr dankbar sein für die Umsetzung der Erkenntnis, dass wir
Deutschen unsere von läppischen 88 Millionen Eurolandbewohnern
(noch
manchmal) gesprochene Muttersprache lieber schamhaft verstecken und
weltoffen,
souverän und modern Denglisch reden...
Ein
Beispiel? Im „deutschen“ – und deshalb natürlich
auch im englischen - Text ist von einem ‚Patch’ die Rede, das
die
Franzosen ‚un correctif’, die Spanier ‚una revision’
nennen;
die Finnen verwenden ebenfalls ein Wort ihrer unsäglichen Sprache
dafür. Eingeknickt sind allerdings schon die Portugiesen (um
patch
- männlich), die Niederländer (een patch, was
männlich,
weiblich oder sächlich sein kann ) und erstaunlicher Weise
auch die Italiener, die das Wort allerdings kühn als weiblich
erkannt
haben (una patch) .
Dagegen
ist in ganz Euroland das Wort codepage
in die jeweilige Landessprache übersetzt worden:
In ganz Euroland? Nein, ein tapferes kleines Volk in Mitteleuropa trotzt allen nationalistischen Versuchungen und benennt das Zeug, wie es sich gehört, mit dem englischen Begriff codepages. Kommentar?
Überflüssig - die Frage von
oben beantwortet sich von selbst: Wir sind peinlich!
Detlev Mahnert, 07.01.03
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